Krankheitsverlauf

Als im Juli 2006 bei mir die ersten Schmerzen auftraten, war ich gerade 20 Jahre alt; nicht unbedingt ein Alter, in dem normalerweise große Verschleißerscheinungen auftreten. Mit der extremen Technikvermehrung in privaten Haushalten in den frühen Neunzigern hat sich aber die Handbelastung drastisch erhöht. Spielekonsolen, Computer und Handys lassen sich überwiegend nur durch Fingerbewegungen bedienen. Inzwischen habe ich leidvoll erfahren, wie extrem belastend diese tausendfachen Wiederholungen für Muskeln, Sehnen, Gelenke und Nerven sind.

Angefangen mit Tetris auf dem Gameboy, bin ich schnell auf die ersten Computerspiele umgestiegen. Flugsimulatoren, Autorennen, Strategiespiele, Ego-Shooter... Das Internet kam (wenn überhaupt) im Schneckentempo über die analoge Telefonleitung und war im Vergleich zu heute teuer. Wikipedia und Google gab es noch nicht, Hausaufgaben wurden noch handschriftlich gemacht und Handys waren kaum verbreitet.
Ich möchte damit verdeutlichen, dass meine Handbelastung vom 7. bis 14. Lebensjahr - im Vergleich zu heutigen Kindern - noch moderat war.

Als Jugendlicher habe ich anfangs intensiv am Computer gespielt (oft mehrere Stunden täglich). Mit der Zeit habe ich dann aber meine Begeisterung für das Erstellen von Internetseiten entdeckt und einen Großteil meiner PC-Zeit hierauf verwendet. Hinzu kam das Entwerfen kleiner Programme im Informatikunterricht und zu Hause. Nebenbei habe ich einmal wöchentlich in einem Computerladen gearbeitet. Alle meine absolvierten Praktika hatten in irgendeiner Form mit Computern zu tun. Auch im Zivildienst konnte ich meine Computerkenntnisse einbringen. Nebenbei gründete ich ein Kleingewerbe für PC-Service und Webdesign.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich nie Schmerzen in den Händen oder Unterarmen nach Arbeit am PC. Auch habe ich nie darüber nachgedacht, zwischendurch kurze Pausen einzulegen, um dem Gewebe Zeit zu geben, sich zu erholen. Hätte mich damals jemand hierauf aufmerksam gemacht, hätte ich mir höchstwahrscheinlich nicht vorstellen können, was für enorme Schmerzen sich aus dieser Belastung ergeben können.
Meine Handbelastung vom 14. bis 20. Lebensjahr war für die damalige Zeit weit überdurchschnittlich.

Mit der zunehmenden Technologisierung aller Lebensbereiche wird die durchschnittliche Belastung in den kommenden Jahren und Jahrzehnten noch deutlich steigen. Meine Prognose muss folglich leider lauten, dass Hand-Unterarm-Beschwerden infolge von Überlastungen (Repetitive Strain Injuries) in Zukunft häufiger auftreten werden. Da eine Heilung sehr viel schwieriger ist als die Prävention, möchte ich mit dieser Internetseite aktiv an der Vermeidung von Überlastungsschmerzen mitwirken. Abstrakte Warnungen Dritter treffen wahrscheinlich bei 99% aller Menschen auf Nichtbeachtung (ich hätte nicht anders reagiert). Erst wer selbst bereits Schmerzen spürt, wird sich mit diesem Thema beschäftigen und das Risiko ernst nehmen.
Ich hoffe, mit dem persönlichen Teil dieser Homepage ein paar Zweifler zu erreichen. Auch wenn ich nur einige überzeuge und diese mit wenigen präventiven Maßnahmen die eigene RSI-Entwicklung verhindern können, hat sich der Aufbau dieser Website bereits gelohnt!

Auf dem Rest dieser Seite finden Sie den chronologischen Verlauf meiner Krankheit. Erwähnt sind nicht alle Diagnosen und Maßnahmen, ich beschränke mich auf die wichtigsten. Kursive Textstellen sind rückblickende Anmerkungen.

Juli 2006
Am Ende eines dreimonatigen Praktikums bekam ich das erste Mal leichte Schmerzen in meinem rechten Handgelenk. In den folgenden Tagen arbeitete ich noch normal weiter, in der Hoffnung, dass spätestens zum Wochenende wieder alles okay sei - war es aber nicht. Auch ein Mauswechsel in die linke Hand brachte keine nennenswerte Verbesserung. Die Schmerzen hatten sich innerhalb einer Woche deutlich intensiviert und jetzt waren bereits beide Handgelenke gleich stark betroffen. Am Wochenende schwollen dann beide Unterarme so stark an, dass ich selbst meine Uhr nicht mehr schließen konnte. Mein Arzt diagnostizierte eine Sehnenansatzreizung und verschrieb mir Diclofenac-Salbe und Ibuprofen 400-Tabletten. Prognose: In ein bis zwei Wochen sei wieder alles normal.

Bei den meisten Menschen entwickelt sich das RSI-Syndrom nicht wie bei mir innerhalb nur einer Woche. Normalerweise gibt es im Vorfeld Warnsignale in Form von vorübergehenden, leichten Beschwerden.

August 2006
Nach drei Wochen Tabletten- und Salbenbehandlung war die Schwellung verschwunden, die starken Schmerzen in beiden Unterarmen, selbst bei Nichtbelastung, aber blieben. Aus der diagnostizierten Sehnenansatzreizung wurde jetzt eine Sehnenscheidenentzündung. Cortisonspritzen in beide Ellenbogen brachten nur für den jeweiligen Tag Linderung.

Von einer Cortisonbehandlung rate ich ab, da langfristige Gewebeschädigungen nicht ausgeschlossen sind und sich zudem die positive Wirkung bei mir sehr in Grenzen hielt.

September 2006
Seit Beginn der Schmerzen hatte ich fast nicht mehr am PC gearbeitet und auch sonst alle Aktivitäten eingestellt, die die Hände auch nur im Geringsten belasten könnten. Diese absolute Schonung wirkte sich schnell deutlich negativ auf meine körperliche Fitness aus. Querfriktionsmassagen verringerten den Ruheschmerz. Krankengymnastik an Geräten zum Muskelaufbau musste ich wegen deutlicher Verschlechterung bereits nach der ersten Anwendung abbrechen.

Die Krankengymnastik hätte mir helfen können, doch erst zu einem deutlich späteren Zeitpunkt. Bei noch dauerhaften Ruheschmerzen sollte auf Kräftigungsübungen verzichtet werden. Ich hätte mich stattdessen mehr bewegen sollen (z.B. mit hängenden Armen regelmäßig joggen).

Oktober - Dezember 2006
Durch das Tragen von Handgelenksbandagen und die Schonung während der letzten zweieinhalb Monate waren meine Beschwerden bis zum Beginn meines dualen Studiums Wirtschaftsinformatik (Studium + Ausbildung) weniger geworden. Noch weit entfernt von vollständiger Heilung, aber zumindest konnte ich wieder ein wenig am PC arbeiten.
Da bereits der zweite Orthopäde mit seinem Latein offensichtlich am Ende war, schickte er mich zu einer Heilpraktikerin. Diese diagnostizierte eine Schwermetallvergiftung und ordnete eine Entgiftung an.
Zu den stechenden Schmerzen kamen im Laufe der Zeit leichte Sensibilitätsstörungen hinzu. Besonders wenn die Arme schlecht durchblutet waren, spürte ich ein merkwürdiges Gefühl in beiden Unterarmen. Dieses Gefühl hatte ich vorher noch nie erlebt, man spürt diffus den gesamten Unterarm; kein richtiger Schmerz, aber als konstantes Gefühl sehr unangenehm.

Die Entgiftung war reine Zeit- und Geldverschwendung (später durchgeführte Haar- und Blutanalysen waren negativ). Außerdem brachte mich diese Diagnose von den zwischenzeitlich im Internet gefundenen Informationen zum RSI-Syndrom ab.

Januar - März 2007
Osteopath und Chiropraktiker waren sich einig, dass meine Armschmerzen von der Wirbelsäule ausgingen. Das Beseitigen von Blockaden im Bereich der Hals- und Brustwirbelsäule brachte stets eine kurzfristige Besserung. Auch eine Einführung in die Triggerpunktmassage war hilfreich. Die Hinweise zur richtigen Körperhaltung und Übungen zur Rumpfkräftigung beseitigten die sich in 2006 entwickelten Nacken- und Rückenschmerzen komplett. Mein Hauptproblem aber, die starken Schmerzen bei Tätigkeiten mit den Händen (z.B. PC-Arbeit oder dem handschriftlichen Verfassen von Texten), hatte sich nicht nachhaltig verbessert.

Warum war bisher noch kein Arzt auf meine deutlichen Hinweise eingegangen, dass ich schon seit Jahren sehr viel am Computer arbeite? Schwermetallvergiftung, zu eng gebogene Halswirbel, Trauma eines Fahrradunfalls oder weit zurückliegende Sportverletzungen wurden als Ursache herangezogen. Warum sah niemand, dass die jahrelange, intensive Arbeit am PC eine simple Überlastung der beteiligten Strukturen nach sich gezogen hatte? Viel später habe ich bei "Wer wird Millionär" folgende 8000 €-Frage gesehen: "Wie wird das RSI-Syndrom häufig noch bezeichnet?" "Mausarm" war die richtige Antwort. Dieses Millionen von Menschen betreffende Problem ist anscheinend bei deutschen Ärzten noch nicht angekommen.

April - Juni 2007
Die Beschwerden im linken Arm verbesserten sich leicht, rechts blieben sie leider unverändert. Meine Muskeln hatten sich durch die einjährige Schonung stark zurückgebildet, selbst bei geringen Belastungen fühlten sie sich schnell verhärtet an. Das Mitschreiben in den Vorlesungen hatte ich weitgehend aufgegeben, ich arbeitete stattdessen mit Kopien von Kommilitonen. Neben den richtigen Schmerzen traten weiterhin sporadische Sensibilitätsstörungen auf (es war kein Zusammenhang mit vorheriger Belastung zu erkennen).
Ein Arzt mit Schwerpunkt in der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) war sehr erstaunt, dass mir keiner der bisherigen Ärzte Dehnübungen für die Unterarme empfohlen hatte.

Da ich zwischendurch auf Anraten eines anderen Arztes immer mal wieder Handgelenksbandagen trug, war die Beweglichkeit meine Handgelenke mit der Zeit stark zurückgegangen. Die empfohlenen Dehnübungen waren absolut richtig, ich hätte aber vorsichtiger anfangen sollen.

Juli - September 2007
Durch regelmäßige Massage und Dehnübungen verschwanden die Unterarmverhärtungen nahezu vollständig. Ich war jetzt wieder zu meiner eigenen Diagnose RSI-Syndrom zurückgekehrt und informierte mich eingehend im Internet und mit dem Buch "It's Not Carpal Tunnel Syndrome! RSI Theory and Therapy for Computer Professionals". Die renommierte Handchirurgieabteilung eines Krankenhauses konnte mit diesem Begriff absolut nichts anfangen und zeigte auch nach Vorlage des Buches kein Interesse, sich intensiver mit dem Thema zu beschäftigen. Man überwies mich lediglich zu einem weiteren niedergelassenen Orthopäden.
Auch in der Orthopädieabteilung eines anderen Krankenhauses begegnete man mir anfangs mit Unwissen (dafür aber mit sehr viel Geduld und Freundlichkeit). Erst der hinzugezogene Oberarzt kannte das RSI-Syndrom, sah die PC-Belastung als Ursache und bestätigte nach über einem Jahr mit der Krankheit meine eigene Diagnose!

Oktober 2007 - Januar 2008
Mit leichten Kräftigungsübungen konnte ich den fortschreitenden Muskelabbau stoppen. Die Schmerzen im rechten Unterarm waren weiterhin stärker als im linken, insgesamt spürte ich keine Besserung. Die Besuche bei einer Schmerztherapeutin und einer Psychologin brachten zwar keine neuen Erkenntnisse, geschadet haben sie aber auch nicht.

Februar - Juli 2008
Es war offensichtlich, dass sich trotz richtiger Diagnose und entsprechender Übungen keine Besserung einstellen wollte. Als Konsequenz fasste ich den schwerwiegenden Entschluss, mein duales Studium abzubrechen, um die PC-Belastung zu reduzieren und meinem Körper Zeit geben zu können, sich zu erholen.
Dank des Tipps eines ehemaligen RSI-Betroffenen ging ich zu einer Vojta-Therapeutin. Sie half mir beim gezielten Muskelaufbau und zusammen korrigierten wir meine über Jahre "antrainierte" Fehlhaltung, anfangs einmal wöchentlich, später alle zwei Wochen. Ich richtete meinen Arbeitsplatz ergonomisch ein, machte regelmäßig Dehn- und Nervengleitübungen, massierte meine Triggerpunkte, regte meine Durchblutung an, trieb wieder regelmäßig Sport und beschäftigte mich mit dem Schmerzgedächtnis und weiteren psychischen Einflussfaktoren. Meine Beschwerden wurden kontinuierlich geringer, gleichzeitig steigerte ich langsam die PC-Belastung und fing an, diese Seite zu erstellen.

Weitere Informationen zur Vojta-Therapie finden Sie auf der Homepage der Internationalen Vojta Gesellschaft e.V.

RSI ist ein sehr komplexes Thema, das von vielen Faktoren beeinflusst wird. Am Umfang dieser Homepage erkennen Sie, dass ein Arzt Ihnen in der durchschnittlich fünf bis zehn Minuten dauernden Behandlungszeit unmöglich alle vorhandenen Tipps mit auf den Weg geben kann. Was man aber erwarten sollte, ist eine richtige Diagnose und der Hinweis auf weitere Informationsquellen. Nicht nur den Beteiligten würde eine korrekte Diagnose helfen, auch dem Gesundheitssystem blieben teure Mehrfachuntersuchungen erspart.
Für mich war es rückblickend die richtige Entscheidung, die Arbeitsbelastung vorübergehend komplett herunterzufahren. Um einen solchen drastischen Schritt kommen die meisten Betroffenen aber glücklicherweise herum, da ihre Beschwerden deutlich geringer sind und sie auch früher mit den richtigen Gegenmaßnahmen anfangen. Nur falls Sie vergleichbar lange betroffen sind, andere Erkrankungen ausgeschlossen wurden und sich absolut keine Besserung einstellt, sollten Sie an diese von mir gewählte Möglichkeit denken.

August - Oktober 2008
Nach der deutlichen Besserung im Sommer war es im August Zeit, erneut ein Studium aufzunehmen. Um regelmäßig Pausen einlegen und mir die Arbeitszeit flexibel einteilen zu können, fiel meine Wahl auf ein Fernstudium. Ich habe mich gegen Wirtschaftsinformatik entschieden, da ich das Glück nicht herausfordern wollte, indem ich später beruflich acht Stunden täglich, fünf Tage die Woche am PC arbeiten würde. Ich habe BWL gewählt, da mich wirtschaftliche Zusammenhänge sehr interessieren (Wirtschaft/Politik war bereits einer meiner Leistungskurse) und ich mich ggf. später immer noch auf den IT-Sektor spezialisieren kann.

November 2008 - Juli 2009
Die letzten Monate verliefen sehr positiv: Beschwerden in Ruhephasen treten nahezu nicht mehr auf, selbst starke muskuläre Belastungen wie Klimmzüge oder Liegestütze sind problemlos möglich. Einzig nach mehreren Stunden Arbeit am PC erinnern mich meine Unterarme an die wichtigen Kurzpausen. Was ich in dieser Phase sehr deutlich gemerkt habe ist, dass über Monate bzw. sogar Jahre geschonte Muskulatur eine vergleichbare Zeit des Trainings benötigt, bis sie sich vollständig regeneriert hat. Und solange die Muskulatur noch nicht wieder ihre ursprüngliche Stärke zurückgewonnen hat, darf man sich nicht der Illusion hingeben, in demselben Umfang wie früher am PC arbeiten zu können.

August 2009 - Juli 2010
Seit einem Jahr arbeite ich wieder täglich problemlos viele Stunden am Computer. Ruheschmerzen ohne vorherige Belastung sind nicht mehr aufgetreten und durch Training ist die Muskulatur auch wieder auf "vor RSI-Niveau". Wenn man keine Beschwerden hat, fällt man leider sehr schnell wieder in eine unergonomische Arbeitshaltung zurück und vergisst die regelmäßigen Pausen. Insofern sehe ich es schon fast als positiv an, wenn mich in solchen Situationen ein leichtes Ziehen in den Unterarmen hierauf aufmerksam macht.

August 2010 - Oktober 2016
Auch seit dem letzten Eintrag sind keine nennenswerten Schmerzen mehr aufgetreten. Nach einem gesamten Arbeitstag nur am PC fühlen sich die Unterarme zwar etwas anders an als nach vergleichbaren Arbeiten früher, aber das kann auch an meiner stärkeren Sensibilisierung für das Thema liegen. Eingeschränkt bin ich dadurch überhaupt nicht.

Der Inhalt dieser Webseite ist auch als Buch erhältlich: RSI-Syndrom, Mausarm, Tennisarm | Kostenlose Rezensionsexemplare verfügbar